Digitalisiert Euch wenn ihr überleben wollt

Fast 10 Jahre ist es bereits her, seitdem Marc Andreesen seinen Artikel Software is eating the world veröffentlich hat. Im Prinzip war dies eine Warnung an alle Unternehmer der Welt, dass Computertechnologie und Software in Zukunft faktisch jede Industrie komplett auf den Kopf stellen wird.

Und mich beschleicht das mulmige Gefühl, dass zu viele Manager europäischer Unternehmen diesen Warnschuss bis heute noch nicht Ernst genug nehmen. Selbst ingenieurs-getriebenen Konzerne wie die deutschen Automobilunternehmen oder Maschinenbauer tun sich schwer mit der Digitaliserung.

Viele Firmen geben inzwischen soviel Geld für Softwaretechnologie aus wie noch nie. Viele haben auch in ihren Softwarebereichen moderne Methoden zur agilen Softwareentwicklung wie Scrum eingeführt. Doch das reicht nicht aus um ein digitales Unternehmen zu werden.

Digital
Im Grunde stellt digital 1 und 0 dar auf denen jede Computersoftware basiert, und soll somit all das ausdrücken, was als Software auf einem Computerprozessor ausgeführt werden kann. Die Rechenleistung dieser Computer hat sich in den letzten Jahrzehnten exponentiell gesteigert (siehe Moore‘s Law) und gerade in Zeiten des COVID-19 Virus realisieren wir was das bedeutet. Heute nutzen wir allerdings nur einen Bruchteil der in den letzten 2 Jahrzehnten entstandenen Rechenleistung sinnvoll. Erfindungen welche in der Lage sind diese Rechenleistung sinnvoll zu verwenden kann man also als digitale Innovationen bezeichnen.

Am Beispiel von Tesla wird der disruptive Faktor von nativen digitalen Unternehmen (in USA ‚Tech Unternehmen’ genannt) sehr gut sichtbar. Tesla, baut zwar noch Autos, bisher wichtige Komponenten wie zum Beispiel der Motor, treten völlig in den Hintergrund, bzw. wurden durch den Einsatz eines Elektromotors mit moderner Akkutechnologie kommoditisert. Im Prinzip baut Tesla einen fahrenden Supercomputer, mit einem sehr leistungsfähigen zentralen Steuerungsrechner und zugehöriger Sensorik, während so ziemlich alle Automobilbauer einen Großteil Ihrer digitalen Systeminnovationen jahrzehntelang an Zulieferer ausgelagert haben und fertige voneinander unabhängige Komponenten von diesen beziehen. Diese durch Tesla nativ entwickelte digitale Plattform ermöglicht völlig neue iterative Produktinnovationen die rein auf Software basieren. Leistungsupdates des Fahrzeugs über das Internet oder der Autopilot sind da nur der Beginn.

Für viele Bereiche stand im bisherigen Jahrtausend noch die Verwendung vorhandener Rechnerkapazität durch Software und dem Internet im Vordergrund. Daraus sind fast schon magisch wachsende Technologie Imperien entstanden, die durch exzellente globale und hyperskalierbare Produkte drohen ganze Industriezweige auszulöschen.

Nicht umsonst sind die wertvollsten Unternehmen der Welt Technologiekonzerne wie Apple, Google, Alibaba, Tencent, Amazon, etc. welche verschiedene Generationen der sogenannten Plattform Ökonomie repräsentieren.

Während viele klassische Unternehmen gerade noch herausfinden was das für sie bedeutet, rollt bereits die nächste noch größere digitale Innovationswelle auf uns zu. Durch selbstlernende Algorithmen, auch Machine Learning oder übergreifend Artificial Intelligence kann die auf der Welt bereits vorhandene Rechenleistung erst richtig sinnvoll genutzt werden. Man könnte es so betrachten als ob der Mensch einen Weg gefunden hat einen Großteil seines ungenutzten Gehirns zu verwenden um Superkräfte zu schaffen und zwar auf den mobilen vernetzten Supercomputern die wir alle in unseren Hosentaschen tragen.

Gerade beispielhaft kann man sehen was passiert, wenn ein Unternehmen das ignoriert. Boeing kann man ja durchaus als klassisches Technologieunternehmen bezeichnen, trotzdem haben Sie es versäumt, digitale Technologie und Softwareprodukte in den Kern ihres Unternehmens zu rücken. Wäre es nicht schon schlimm genug, dass im Upgrade Modell eines ihrer populärsten Produkte dem 737 MAX durch Einsparung bei Sensoren und einem Softwarefehler 2 Flugzeuge zum Absturz kamen. Bis heute kommen fast jede Woche neue Softwareprobleme an die Oberfläche, aktuell sogar ein Fehler in der Anflugsoftware einer ihrer modernsten Flugzeuge der 777/787 Reihe. Die Kernursache, dass die Steuerungsrechner des 737 seit Jahrzehnten nicht aktualsiert wurden und wichtige digitale Softwareentwicklung an Zulieferer vergeben wurde, wäre bei einem Unternehmen wie Tesla mit Sicherheit undenkbar.

Warum sollte also heute noch jemand behaupten, dass nicht jedes Unternehmen zum digitalen Unternehmen werden muss wenn es überleben will. Selbst Unternehmen die das verstanden haben, tun sich aber extrem schwer sich wirklich zu digitalisieren.

Dafür ist es vor allem wichtig zu verstehen was die besten Tech Produktunternehmen vom Rest der Welt unterscheidet und was die neueste Generation von Plattformökonomien auszeichnet

In meiner mehr als 20-jährigen Leadership Tätigkeit in Startups, skalierten Internetplattformen, Technologiekonzernen, sowie in klassischen Unternehmen habe ich gelernt was Digitalunternehmen vom Rest unterscheidet.

Daraus kann ich folgende 3 Erfolgsfaktoren als entscheidend für die digitale Transformation eines Unternehmens jeder Größe ableiten:

  1. Verständnis über die Rolle digitaler Technologie und die richtige Verankerung im Unternehmen
  2. Digitale Führungs- und Managementkultur geprägt durch Empowerment, autonome Teams und OKRs
  3. Fähigkeit digitale Softwareprodukte bauen zu können

Der wichtigste erste Schritt ist es, dass die Führung eines Unternehmens erkennt, dass digitale Technologie kein Kostenfaktor ist und es nichts hilft einfach nur mehr für Technologie auszugeben. Vielmehr muss die essentielle Rolle von Technologie verstanden werden, ins Zentrum des Unternehmens gerückt werden und mit einer angepassten Führungskultur und neuen Kompetenzen aktiv gemanagt werden.

Dann lässt sich aber jedes Unternehmen erfolgreich digitalisieren.

Erfolgsfaktoren für die digitale Transformation

1. Verständnis zur digitalen Transformation

  • Wie verändert sich die Wertschöpfungskette des Kerngeschäftes und wie sind die Auswirkungen auf das eigene Geschäftsmodell?
  • Was unterschiedet moderne hyperglobal skalierende Tech Plattform Modelle im jeweiligen Bereich vom Rest der Unternehmen? (Business, Organisation, Vorgehen)
  • Technologie ist kein notwendiger Kostenfaktor, einfach nur mehr in Technologie zu investieren reicht für eine erfolgreiche Transformation nicht aus
  • Die Kompetenz technologische Produkte und Plattformen bauen zu können muss in den Kern eines Unternehmens rücken Gutes Beispiel Pixar: Technologie wird weit besser als alle klassischen Filmproduktionen eingesetzt, Technologieteams werden genauso wertgeschätzt wie die Kreativteams.

2. Die Rolle von digitaler Technologie im Unternehmen

  • Digitale Technologieprodukte nicht wie klassische IT Systeme behandeln (Outsourcing, etc.)
  • Isolierte Satelliten wie Acceleratoren, Inkubatoren, Labs funktionieren oft nicht den Kern eines Unternehmens zu transformieren
  • CDO oft zum Scheitern verurteilt, Personen die noch nie eine Zeile Code selbst geschrieben haben und dann abseits des Kerngeschäftes agieren
  • Cross-funktionale digitale Produkt-Teams: Produkt, Engineering, Design / User Experience und Digital Marketing hängen sehr eng zusammen und sollten als eine autarke Unit betrachtet werden
  • Wahl der richtigen Transformationsstrategie, meist ist die duale Transformation der passendere und schnellere Ansatz, wird aber leider oft nicht konsequent genug umgesetzt.
  • Organisation anpassen

3. Digitale Produktentwicklungskompetenz

„Agilität heißt noch lange nicht, dass ich in der Lage bin das beste digitale Produkt zu bauen.“

  • Priorisierung / Fokus auf wenige wichtige Probleme ist sehr wichtig, Aktives Investment Portfolio Management, Won’t-do Liste oftmals wichtiger, sonst zu „thinly spreaded“, radikal durchsetzen. Der Fokus auf wenige Themen ist für komplexe digitale Tech Produktprojekte essentiell.
  • Inspirierende Produktvision (3-5 Jahre)
  • Entscheidung über zentrale Plattformkomponenten für wiederverwendbare Bausteine (TV Apps auf einer Basis, 2nd Screen Participation Produkte, etc.)
  • Klare Produktstrategie basierend auf Insights: Markt, Nutzungsdaten von Kunden, neue Geschäfts- und Monetarisierungsmodelle (Advertising vs. Subscription)
  • Die richtige Zusammensetzung von Produktteams ist wichtiger als die Größe, Software ist komplex und mit der Anzahl Teammitglieder nimmt oft die Performance inproportional ab. Beschleunigung und Ergebnisverbesserung kann eher mit einer kleinere Anzahl von den richtigen Mitarbeitern erreicht werden.
  • Den richtigen iterative Produktentwicklungsprozesse zur richtigen Zeit anwenden: Design Thinking vs. Product Discovery vs. Delivery Teams, generelle Lean Ansätze mit frühem Launch MVP

4. Digitale Führungs- und Managementkultur

Klassische Führungs-/Managementkultur passt oft nicht für Technologieprodukt Organisationen.

  • Motivationsfaktoren verstehen („Purpose, Autonomy, Mastery“)**
  • Empowered Teams / Units den nötigen Raum geben die Probleme zu lösen. Der Zweck sollte auf keinen Fall sein dem Business zu dienen oder die Stakeholder zu befriedigen wie bei klassischer IT**
  • OKRs : Ziele setzen und Ergebnisse messen - das Team soll herausfinden wie man diese erreicht - Teams für die Ergebnissee verantwortlich machen - kein Micro Management, keine rigiden Prozesse, keine Roadmaps im klassischen Sinn. OKRs sind auch sehr gut geeignet um direkten Link zum Business herzustellen.**
  • Technologie beherrschen :: Testing, Speed durch Cloud Technologie und moderne Stacks, das richtige Tool für die richtige Aufgabe, keine technischen Schulden, Tech Prinzipien (Values & Beliefs) etablieren, wie Product Speed, Excellence in User Experience, etc.

Die 10 größten Fehler bei der Digitalisierung

  1. Nicht zu verstehen dass digitale Technologe in den Kern des Unternehmens rücken muss
  2. Das fehlende Verständnis darüber wie Tech Plattformen funktionieren
  3. Denken dass agile Entwicklung ausreicht um das beste digitale Produkt zu bauen
  1. Anwendung von klassischen Führungsprinzipien und Managementkultur auf den Technologiebereich
  2. Digitale Technologieprodukte werden genauso wie klassische IT behandelt
  3. Business oder Sales steuert den Tech Bereich
  4. Einfach nur mehr für Technologie und Software ausgeben oder mehr Software Entwickler hinzufügen und darauf hoffen dass dies den Fortschritt beschleunigen soll und das digitale Produkt besser machen soll
  5. Ein CDO einstellen, der noch nie selbst eine Zeile Code gesehen hat, geschweige denn eine komplexes Softwareprodukt erfolgreich gebaut hat
  6. Hoffnung dass Acceleratoren, Incubatoren und Labs die isoliert und weit weg vom Kern des Geschäftes agieren die digitale Transformation voranbringen
  7. Ein falscher Transformationsansatz (duale Transformation vs. andere Modelle) viel schwieriger umzusetzen sind

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